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„Betrunkene Bäume“ von Ada Dorian


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Klappentext

»Kraftlos ließ er sich auf die Matratze fallen und legte den Kopf auf das Kissen. Durch die weit geöffneten Fenster drang die warme, duftende Sommerluft und bewegte die Blätter über seinem Kopf. Erich schloss die Augen und lauschte für einige Sekunden dem leisen Knistern, das die Äste an der Tapete erzeugten. Der Stamm reichte bis zur Decke und sorgte dafür, dass die Krone sich fächerförmig ausbreitete.

Erich liebte den Geruch der Pflanzen, er erleichterte ihm den Schlaf. Seit die Nachbarin unter ihm gefragt hatte, ob auch er ein Problem mit feuchten Decken habe, war er noch vorsichtiger geworden. Niemand sollte ihm seinen Wald nehmen. Es war alles, was er noch hatte.«

 

„Erich ist über achtzig und verliert Stück für Stück seine Unabhängigkeit. Außerdem trauert er um die Liebe seines Lebens. Als junger Forscher hatte Erich eine Expedition in die Taiga unternommen. In jener Zeit hat er Schuld auf sich geladen, die bis heute nachwirkt und Erich vereinsamen lässt. Dann jedoch tritt Katharina in sein Leben. Sie ist von zu Hause ausgerissen, als ihr Vater die Familie verlassen hat.“

 

Meinung

Das Buch lag zu Unrecht monatelang ungelesen in meinem Regal. Zugegeben, die ersten paar Kapitel haben mich leicht verwirrt zurück gelassen. Aber nach mehr und mehr Seiten wird die Geschichte deutlicher, wird nicht mehr nur bruchstückhaft an den Leser weitergegeben.

 

Habe ich betrunkene Bäume anfangs für einen kleinen Wortwitz oder Metapher gehalten, so habe ich gelernt, dass dieses Naturphänomen tatsächlich existiert. Die Wurzeln der Bäume werden durch den Permafrost an Ort und Stelle gehalten. Sobald der Frost aber wegschmilzt, verschieben sich die Bäume und sehen aus, als wären sie betrunken.

Genau das kann man auch zu den Protagonisten sagen: Sie wurden beide aus ihrem natürlichen Lebensraum gerissen und sind innerlich zerrissen.

 

Ich mochte es sehr, wie die Geschichte von Erich und Katharina erzählt wurde. Es war eine ganz besondere Art, so schön leichtfüßig und fast schon nüchtern, dennoch sehr gefühlvoll. Es gab keine große Spannung und trotzdem wollte ich brennend wissen, wie es weiter ging mit den beiden Protagonisten. Erich und Katharina sind so unterschiedlich wie es zwei Individuen nur sein können. Gerade das macht ihre Freundschaft einmalig und auch emotional.

Die Sprache von Ada Dorian gefällt mir extrem gut. So subtil und einfach, aber den Ton treffend wie nichts anderes. Sie hat einen wunderschönen, feinfühligen Erzählstil.

 

Katharina, die gewissermaßen zu Erich’s bester Freundin wird, ist die rebellische Teenagerin. Zu ihr habe ich leider keinen richtigen Zugang gefunden. Gefühlt war sie nur das Mittel zum Zweck, um Erichs Geschichte zu erzählen und rund zu bekommen. 

Erich hingegen ist ein sympathischer, aber auch trauriger Protagonist. Ich habe seinen Worten gerne gelauscht und seine Geschichte verfolgt. Er hat ein bewegtes Leben hinter sich als Wissenschaftler in der sibirischen Taiga. Er hat die Wildnis lieben gelernt, und so auch die Bäume. 

 

Fazit

„Betrunkene Bäume“ besticht durch einen einfachen, schnörkellosen Erzählstil. Die Wildnis Sibiriens wird wunderbar an den Leser gebracht, die Bäume und Kälte sind allgegenwärtig. Ich vergebe an den Roman von Ada Dorian vier von fünf Sternen! ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️

 


 

 

Roman

Ullstein fünf

978-3-96101-001-1

18,00 €

272 Seiten

Hardcover

erschienen am 24. Februar 2017