[ Werbung - Rezensionsexemplar. ]
Klappentext
„Zehn Tage Auszeit könnten Anja Romanowa gerade recht sein, um ein paar Dinge in ihrem achtundzwanzigjährigen Leben mit sich zu klären. Etwa ein verwirrendes Dreiecksverhältnis oder ihren missglückten Berufsstart im russischen Außenministerium mit seinen trinkfesten Zynikern. Nur verbringt Anja diese Zeit unfreiwillig mit fünf anderen jungen Frauen: Da ist Maja, die in «Brust- und Po-Tuning» investiert, um reichen Männern zu gefallen, Natascha, die das echte Straflager kennt, oder Irka, die die Alimente für ihre Tochter nicht gezahlt hat. Sie sind zusammen im Moskauer Gefängnis, wegen Ordnungswidrigkeiten. Anja selbst verbüßt eine zehntägige Strafe, weil sie zu einer Demonstration gegen Regierungskorruption aufgerufen hat. Sechs Leben prallen aufeinander, explosiv und oft sehr komisch, in denen sich das heutige Russland spiegelt: Armut und Reichtum, Freiheitsgeist und Putin-Gläubigkeit, traditionelle Rollen und fluide Identitäten – die eine träumt von Buchweizen, die andere vermisst Bali. Und in alldem wird Anja einen Entschluss fassen.“
Meinung
Das war ein Ritt! Ein total verrückter, politischer, mysteriöser Ritt durch die Arrestzelle, in der die Protagonistin Anja für zehn Tage ihre Strafe absitzen muss.
Die ersten Seiten waren ein bisschen zermürbend, um ehrlich zu sein. Es gab hier und da ein paar Längen, mir hat anfangs einfach ein bisschen Tempo gefehlt. Das macht die Autorin aber wieder wett, in dem ab dem zweiten Drittel nicht nur Tempo reinkommt, sondern auch viel Spannung!
Wie lebt es sich in einer Arrestzelle, die Anja zusammen mit ihren fünf Insassinnen teilt? Kommt Anja gut mit ihnen klar, mit dem teils schroffen Umgangston und dem allgemeinen Gefängnisalltag? Ihre Insassinnen sind alle unterschiedlichen Schlags, ein bunter Haufen, deren Gespräche aber genau so ernst wie humorvoll sind.
Ich fand es unglaublich spannend, Anja durch ihre zehntägige Strafe zu begleiten - nicht nur in der Zelle. Wir Leser*innen bekommen einen tiefen Einblick in das Leben der jungen Frau in einem Russland, welches geprägt ist von Alkohol, Korruption und Skandalen. Wie erging es Anja in ihrer Kindheit und Jugend? Und was hat es mit ihrer Dreiecksbeziehung auf sich? In Rückblenden lässt die Protagonistin an ihrem Leben teilhaben. Dabei konnte ich Anja immer verstehen, ihre Wut, ihre Verzweiflung, ihr fast schon ohnmächtiger Zustand.
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Wieder kam ihr der Gedanke, dass die Arrestanstalt ein ganz seltsamer Ort sei. Seltsam und sinnlos: Die ganze Strafe besteht darin, dass man sich unter verschärften Bedingungen erholen durfte. Du darfst schlafen, so viel du willst, den ganzen Tag nichts tun, lesen, dich unterhalten, man führt dich zum Hofgang und zum Essen, und das alles soll deiner Besserung dienen.
Seite 41
Anja leidet im Laufe der ersten Tage an Wahnvorstellungen, an Visionen, an Albträumen - oder ist es vielleicht die Wahrheit, die sie sieht? Besonders abends, im Dämmerzustand, oder nachts machen sich diese Visionen bemerkbar. Das ist der Teil der Geschichte, die ich so nicht habe kommen sehen, es wirkte fast schon übernatürlich und mystisch.
Dieser Plottwist unterscheidet sich total von meinen Erwartungen an „DAFUQ“. Ich dachte, es gehe vielleicht viel mehr um die korrupte Regierung und Machtmissbräuche in Russland, schließlich ist Kira Jarmysch als Sprecherin des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hierfür prädestiniert. Umso erstaunlicher, dass ich die Entwicklungen und Vorkommnisse im Roman keinesfalls enttäuschend fand, sondern war vielmehr positiv überrascht.
Fazit
„DAFUQ“ von Kira Jarmysch war erstaunlich erfrischend und ganz anders als gedacht. Die Autorin ist eine überaus interessante Stimme der neuen russischen Literatur. Mir hat der Roman gut gefallen und bekommt vier Sterne. ⭐️⭐️⭐️⭐️
Невероятные происшествия в женской камере No 3
(The Curious Events in Woman's Cell #3)
übersetzt von Olaf Kühl
416 Seiten
22,00 €
978-3-7371-0140-0
Erscheinungstermin: 14.09.2021