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„Das Leben vor uns“ von Kristina Gorcheva-Newberry


[ Werbung, Rezensionsexemplar. ]

Klappentext

„Was bedeutet es, in den letzten Jahren der Sowjetunion erwachsen zu werden -  in einem Staat kurz vor dem Zerfall? Dieser Roman verwebt auf beeindruckende Weise die turbulente Geschichte eines Landes mit dem Schicksal einer verlorenen Jugend und erzählt dabei von einer unerschütterlichen Freundschaft zweier Mädchen zwischen Unsicherheit und Aufbruch.

Anja und ihre beste Freundin Milka wachsen in den Achtzigerjahren am Stadtrand von Moskau auf. Während ihre Eltern gezeichnet sind von den Entbehrungen der Vergangenheit, blicken die beiden Mädchen einer Zeit der Umbrüche und Reformen entgegen. Frech und lebenshungrig versuchen sie, jeden Schnipsel westlicher Popkultur in die Finger zu kriegen. «We Are the Champions» ist für sie mehr als nur ein Lied, es ist eine Parole. Aber Anjas Jugend nimmt durch eine unerwartete Tragödie ein jähes Ende – und gleichzeitig der Staat, der ihr Zuhause bedeutet hat. Noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs beschließt sie, zum Studieren in die USA zu gehen und dort zu bleiben. Doch beim Versuch, sich im Sehnsuchtsland ihrer Jugend eine neue Heimat aufzubauen, merkt sie, dass sich die eigene Herkunft nicht einfach abschütteln lässt und ein Neuanfang nur möglich ist, wenn die Geister der Vergangenheit begraben sind.“

 

 

Meinung

Wie ist es, wenn man seine Jugend in Zeiten des Umbruchs verbringt, in einer noch nie zuvor da gewesenen Revolution, in einem Land, in dem es nicht immer alles so toll ist, wie es die Regierung in seiner Propaganda vorgibt, in dem man mehr Entbehrungen hat als alles andere? Was kann man als Jugendliche in diesen Zeiten lernen, nimmt diese Zeit den Rest deines Lebens in Anspruch - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft?

 

Diese Fragen und noch so viel mehr beschäftigten wohl auch die Autorin Kristina Gorcheva-Newberry, die selbst in Moskau aufgewachsen ist. Ihren ersten Roman widmet sie ihre Freundinnen und Freunden der Generation Perestroika mit den Worten „verloren, übersehen, vergessen“. Und genau das beschreibt Kristina Gorcheva-Newberry in „Das Leben vor uns“ sehr eindringlich, sehr emotional, mit einer melancholischen Grundstimmung, die mich mit jeder Seite mehr und mehr gefesselt hat. 

 

Wir begleiten unsere Protagonistin Anja und ihre beste Freundin Milka im Moskau der 1980er Jahre. Anja und Milka sind große Fans der westlichen Popkultur, sie lieben alles, was mit Freddie Mercury und Queen zu tun hat. Die beiden leben wild, hemmungslos und leidenschaftlich. Aber sie können sich mit ihren Freunden Lopatin und Trifonow in Diskussionen um russische Autoren und Russland im Allgemeinen um Kopf und Kragen reden. Eine wunderbare, herzzerreissend schöne Freundschaft, die die Autorin in die Geschichte und in die prägenden Jahre des Zerfalls der Sowjetunion hineingeschrieben hat.

Kristina Gorcheva-Newberry beschreibt diese Freundschaft gefühlvoll, mit so viel Emotionen, dass ich an vielen Stellen Tränen in den Augen hatte.

 

Wir sagten nichts, standen nur weiter da, bebend, mit vor Kälte und Angst taub gewordenen Herzen und Zungen. Vor uns lagen in weiter Ferne die Länder, die wir vielleicht nie sehen würden. Im Hintergrund lag das Land, das wir niemals verlassen konnten.

Seite 154


 

Die Geschichte hat mich an einigen Stellen an zwei Bücher von einer meiner liebsten Autorinnen Nino Haratischwili erinnert und ich habe alles daran geliebt, denn Kristina Gorcheva-Newberry kann ihr mit „Das Leben vor uns“ das Wasser reichen. Die Autorin schreibt vom Aufwachsen und Erwachsen werden in einem zerfallenden Land, im Wandel der Zeit. Es geht um innige Freundschaft, um Verlust und die erste Liebe, um politisches Versagen und alles, was daraus resultiert. Ein wunderbarer Coming of Age-Roman.

 

Im Original heißt das Buch „The Orchard“, der Obstgarten. Dieser Ort ist Dreh- und Angelpunkt für die Freundschaft der vier Jugendlichen und der Familie von Anja.

 

Für mich war „Das Leben vor uns“ von Kristina Gorcheva-Newberry ein grandioses Buch, ich habe jede Seite geliebt, habe mit den Figuren mitgefiebert, habe mit ihnen gelitten, gelacht und geweint. Das können nur wenige Bücher. Es ist jetzt schon ein absolutes Highlight für mich dieses Jahr. Daher gibt es von mir eine dringende Leseempfehlung! ✨

 

(TW: Tod, Fehlgeburt, Gewalt)


 

The Orchard

übersetzt von Claudia Wenner

C. H. Beck Verlag

Hardcover ⎥ 359 Seiten ⎥ 25€

erschienen am 14. Juli 2022