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„Kanada“ von Juan Gómez Bárcena


💔 [Werbung unbezahlt.]

 

⟫ Kanada ist eine Empfindung, ein Schütteln, ein Schlag, den man nicht verstehen kann und der aus diesem Grund niemals verschwindet, während dein Leben vor dem Krieg nur ein Konzept ist, eine Idee, die sich auflöst, sobald man sie erklärt. ⟪ Zitat Seite 137

 

Wer denkt, dass es sich hier um das Kanada in Nordamerika handelt, den muss ich leider enttäuschen. Kanada - so grotesk es auch klingen mag - war ein Teil vom Konzentrationslager Auschwitz.

 

Der namenlose Erzähler kommt aus dem Krieg, kommt direkt aus Auschwitz, er kommt nach Hause - sein Haus steht noch. Er sperrt sich in seine Wohnung ein, will nicht mehr raus, will nichts machen, verlässt sich mehr oder weniger auf seinen Nachbarn. Der Protagonist hat schlimmes erlebt, spricht kaum, kann nicht raus gehen, verbringt seine Zeit in seinem Büro; kein Wunder, Auschwitz war schließlich einer der furchtbarsten Orte, die die Nazis erschufen. Das Trauma sitzt tief, ist verwurzelt mit Gedanken und Gefühlen, die er nicht auszusprechen vermag.

 

Der Autor hat mit seiner Sprache und der Erzählung in Du-Form eine beklemmende Atmosphäre erschaffen, aus der ich schlecht herausfinden konnte. Alles fühlte sich schwermütig und dunkel und trostlos an. Durch „Kanada“ habe ich einen Einblick in menschliche Abgründe, Scham und Schande erblicken können, wie ich es nie für möglich gehalten habe. Das wichtigste erfahren die Lesenden wohl zwischen den Zeilen, die teils wunderschöne, melancholische Sprache erzeugt gerade wegen der Thematik furchtbare Bilder im Kopf.

 

⟫ Der Hunger ist ein Brunnen. Ein sehr enger, tiefer Tunnel, der es dir ermöglicht, dich auf eine einzige Sache zu konzentrieren. […] Manchmal fühlst du, dass der Hunger mehr ist als ein Tunnel: das Innere eines Teleskops, mit dem du jenseits dessen schaust, was deine Augen sehen können. ⟪ Zitat Seite 53

 

Ich glaube ich habe noch nie ein derart trauriges Buch gelesen, das aber mit so vielen klugen Gedanken gefüllt ist! Ein sehr emotionales Buch, sehr harter Tobak, erschütternd und niederschmetternd. Erneut ein Werk, das auf die Grausamkeiten des Krieges und Abscheulichkeiten von Menschen aufmerksam macht. Erneut ein Werk, das ein Plädoyer gegen das Vergessen ist.

 

 


 

„Kanada“ von Juan Gómez Bárcena, übersetzt von Steven Uhly, erschienen im August 2018 im Secession Verlag,

192 Seiten, Hardcover, 20€.

 

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