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„Meine dunkle Vanessa“ von Kate Elizabeth Russell


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Klappentext

Brillant und verstörend! Ein brandaktueller Roman, der mitten ins Herz der #MeToo-Debatte trifft

 

„Vanessa ist gerade fünfzehn, als sie das erste Mal mit ihrem Englisch-Lehrer schläft. Jacob Strane ist der einzige Mensch, der sie wirklich versteht. Und Vanessa ist sich sicher: Es ist Liebe. Alles geschieht mit ihrem Einverständnis. Fast zwanzig Jahre später wird Strane von einer anderen ehemaligen Schülerin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Taylor kontaktiert Vanessa und bittet sie um Unterstützung. Das zwingt Vanessa zu einer erbarmungslosen Entscheidung: Stillschweigen bewahren oder ihrer Beziehung zu Strane auf den Grund gehen. Doch kann es ihr wirklich gelingen, ihre eigene Geschichte umzudeuten – war auch sie nur Stranes Opfer?“

 

 

Meinung

Okay, ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt etwas zu diesem Roman schreibe oder es einfach sein lasse. Und jetzt sitze ich hier und muss doch meinen Senf dazugeben, denn so ganz  einverstanden bin ich nicht mit dem Buch…

 

Gleich zu Anfang noch ein Spoiler-Alarm! Ich werde wahrscheinlich hier und da einen Spoiler einbauen müssen. Wenn du das Buch also noch lesen möchtest, rate ich dir dazu, diese Rezension nicht zu lesen.

Auch ist an dieser Stelle eine Triggerwarnung nötig: Missbrauch, sexuelle Belästigung, Gaslighting, Grooming. 

 

Die erste Hälfte von „Meine dunkle Vanessa“ ging mir sehr an die Substanz. Was mit Vanessa geschah, was ihr angetan wurde, war für mich stellenweise unerträglich, es tat körperlich und mental sehr weg. Ohne die wunderbare Leserunde, der ich beiwohnen durfte, hätte ich das Buch definitiv abgebrochen. Die Geschichte war gut konzipiert und aufgebaut. Wir begleiten Vanessa in unterschiedlichen Zeitebenen - in 2000, als sie als Schülerin auf ihren Lehrer Jacob Strane trifft und in 2017, als sie als Erwachsene über die Vergangenheit nachdenken muss.

 

Im Laufe der Geschichte ist mir Vanessa immer mehr und mehr gegen den Strich gegangen. Sie wurde schlichtweg unsympathisch. Wieso setzt sie sich immer wieder und immer wieder für Jacob Strane ein, setzt ihren Platz an einer angesehenen Schule aufs Spiel? Nach fast zwanzig Jahren muss sie doch verstehen, was dort genau passiert ist, dass sie vergewaltigt wurde von ihrem Lehrer. Klar, sie möchte sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen, aber würde das nicht dabei helfen, dass ihre Therapie dann endlich anschlägt?

Ihre verschiedenen Reaktionen konnte ich auch nicht verstehen… Den einen Tag sagt sie, sie wurde nie vergewaltigt, am nächsten Tag sagt sie zu ihrem Dozenten, dass sie an ihrer ehemaligen Schule von einem ihrer Lehrer missbraucht wurde. Also, was nun? Ich verstehe absolut, dass die Situation für Vanessa überfordernd ist, dass sie selbst nicht weiß, wo oben und unten ist. Verstehe ich absolut! Hier hatte ich das Gefühl, dass die Autorin selbst nicht weiß, wohin die Geschichte führen soll…

 

Mein absolut größter Kritikpunkt: Ich verstehe nicht, wie man diesen Roman zur #MeToo-Debatte auslegen kann. Geht es bei dieser Debatte nicht darum, den Opfern von Missbrauch, sexueller Belästigung, Vergewaltigung eine Stimme zu geben? Geht es bei #MeToo nicht darum, das Ausmaß von sexuellen Übergriffen aufzuzeigen?

 

In „Meine dunkle Vanessa“ sieht sich das Opfer nicht als Opfer. Psychologisch gesehen auf jeden Fall sehr interessant. Ist es aber nicht auch ein Schlag ins Gesicht für alle anderen Opfer, die sich vielleicht jahrelang nicht getraut haben, ihre Stimme zu erheben? Die sich nicht getraut haben, Anzeige zu erstatten? Die sich noch immer nicht trauen, über ihr Trauma zu sprechen? Zeigt ihnen der Roman vielleicht, dass sie doch keine Opfer sind, sondern alles gewollt haben?

Die Message des Buchs (wenn es überhaupt eine gibt) finde ich mehr als fragwürdig…

 

Und: Ist es wirklich nötig, eine Täter-Opfer-Umkehr zu beschreiben? In jeder kleinen Einzelheit? Um ganz ehrlich zu sein: Ich brauche keine Bücher mehr über Missbrauch, vor allem nicht über die Täter und deren Manipulationen. Mir wurde der Fokus zu sehr auf Jacob Strane gesetzt und wie er perfide an sein Ziel kam.

 

 

Fazit

Nach wie vor weiß ich nicht genau, was nun die Message von „Meine dunkle Vanessa“ sein soll.  Was wollte mir Kate Elizabeth Russell nun sagen? Ich weiß es leider nicht… Ich kann den Roman nur sehr eingeschränkt bis gar nicht empfehlen, daher gibt es nur einen Stern. ⭐️

 


 

My Dark Vanessa

übersetzt von Ulrike Thiesmeyer

C. Bertelsmann Verlag

978-3-641-26771-1

eBook

12,99€

448 Seiten

erschienen am 01. Juli 2020